Übersetzung, Lokalisierung oder Transkreation?
Flurina Kühn-Schwendimann erklärt die Unterschiede zwischen Übersetzung, Lokalisierung und Transkreation.
Sie haben es bestimmt schon einmal erlebt: Sie sind im Urlaub in einem Restaurant und finden in der deutschen Speisekarte etliche Fehlübersetzungen. Aus „Datteln mit Speck“ werden schnell „Daten mit Speck“. Im Urlaub gehört das schon fast dazu und die lustigen Übersetzungen werden gerne abfotografiert und Freunden geschickt – herrlich komisch! Das Phänomen ist so verbreitet, dass sich sogar ganze Facebook-Gruppen darauf spezialisiert haben, auf lustige schlechte Übersetzungen aufmerksam zu machen.
Während wir bei solchen Übersetzungsfehlern gerne zwei Augen zudrücken, sind falsche Übersetzungen in anderen Bereichen schwer wiegender und können schnell ins Geld gehen. Sie sind nicht nur peinlich, sondern führen zu einem negativen Image und schlechteren Verkaufszahlen. Das aktuellste prominente Beispiel: Der gerade veröffentlichte neue Name des Facebook-Konzerns "Meta" ähnelt stark dem hebräischen Wort für "tot". Leider ist es kein Einzelfall, dass Unternehmen in solche vermeidbaren Fallen treten.
Schlechte oder falsche Übersetzungen sind lustig. Für Unternehmen können sie aber teuer und riskant werden.
Vor einiger Zeit vertrieb zum Beispiel Coca-Cola das Getränk in China als „Kekoukela“, was „weibliches Pferd vollgestopft mit Wachs“ bedeutet. Auch der Getränkehersteller Schweppes machte einen Griff ins Klo, denn in einer Werbekampagne in Italien wurde „Schweppes Tonic Wasser“ als „Schweppes Toilettenwasser“ übersetzt. Im Jahr 2013 wiederum musste die Bank HSBC rund 12 Millionen Euro für ein komplettes Rebranding aufbringen, da ihr Slogan „Assume Nothing“ in einigen Ländern als „Do Nothing“ übersetzt wurde.
Aber nicht nur Unternehmen sind von schlechten Übersetzungen betroffen. Richtig ernst wird die Angelegenheit, wenn die Zukunft von Menschen davon betroffen ist: Eine 2017 veröffentlichte Recherche der Zeitung "Die Zeit" untermauerte, wie es beim BAMF bei Asylanträgen unter anderem aufgrund von fehlerhaften Übersetzungen zu Fehlentscheidungen kam. Asylanwälte und Richter berichteten über „erschütternd schlechte Übersetzungen“, was vor allem daran lag, dass die Übersetzer nicht beeidigt, dafür aber billig waren.
Aus diesen Beispielen kristallisieren sich zwei Risikodimensionen schlechter Übersetzungen heraus: die geschäftlichen Risiken und die rechtlichen bzw. sicherheitsrelevanten Risiken.
Kurz gesagt: Fehlerhafte Übersetzungen sind schlecht für das Geschäft. Die Beispiele von Coca-Cola oder HSBC beleuchten, wie niederschmetternd Übersetzungsfehler für Marketingkampagnen sein können. Unternehmen müssen in solchen Fällen nicht nur Unsummen für neue Kampagnen ausgeben, sondern haben auch mit den einhergehenden Imageschäden zu kämpfen.
Auch Fehler in den Titeln oder Beschreibungen von Produkten in Onlineshops können zu Umsatzeinbußen führen. Sind die Texte schlecht, sinkt das Vertrauen in den Shop. Viele kaufen infolgedessen lieber bei der Konkurrenz. Denken Sie kurz nach: Sie haben bestimmt schon einmal online nach einem Produkt gesucht, kauften dieses aber nicht, weil die Produktbeschreibung nicht gut war.
Beim Online-Shopping haben wir als Nutzer wenig Anhaltspunkte, die Produktqualität zu beurteilen: Wir müssen uns auf die Bilder, die Texte und die Produktbewertungen verlassen. Wenn uns auch nur eine dieser drei Komponenten suspekt vorkommt, gehen die Alarmglocken los.
Deswegen kann man nicht oft genug wiederholen, wie wichtig gute Übersetzungen für die Customer Experience und die Conversion sind. Das gilt übrigens auch für die Texte in der Quellsprache – aber dazu später mehr.
Neben den wirtschaftlichen Risiken schlechter Übersetzungen spielen auch die rechtlichen und sicherheitsrelevanten Risiken eine große Rolle. Beispiele hierfür sind fehlerhafte Beschreibungen in Anleitungen von Maschinen. Falsche Übersetzungen von Geschäftsberichten können zu Fehlinterpretationen führen. Wenn das passiert, kann sogar die Bewertung eines Unternehmens verfälscht werden.
Fehler in Dokumentation eines zu verzollenden Produkts können beim Zoll zu Schwierigkeiten führen. Dadurch entstehen Lieferverzögerungen, was wiederum zu Mehrkosten, Imageschäden oder anderen negativen Auswirkungen führen kann.
Egal in welchem Geschäftsbereich: Eine einzige schlechte Übersetzung reicht, um eine Kettenreaktion an Problemen auszulösen.
Die Mehrkosten von schlechten Übersetzungen können nicht leicht beziffert werden, denn wer gibt schon gerne Auskunft über geschäftliche Fehler? Dennoch gibt es ein paar konkrete Anhaltspunkte:
Im Jahr 2005 gab die Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission dem National Centre for Languages (CILT) eine Studie in Auftrag. Das primäre Ziel der Studie war es, Daten und Analysen zu den Fremdsprachenkenntnissen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und deren Auswirkungen auf das Geschäft zu erforschen. In der Studie „ELAN: Auswirkungen mangelnder Fremdsprachenkenntnisse in den Unternehmen auf die europäische Wirtschaft“ entgingen 195 der rund 2.000 befragten Unternehmen tatsächliche oder potenzielle Exportaufträge direkt aufgrund mangelnder Fremdsprachenkenntnisse.
Die Mehrheit der betroffenen 195 Unternehmen (63 %) gaben an, geschäftliche Verluste aufgrund eines Mangels an Personal mit Fremdsprachenkenntnissen erlitten zu haben. Interessant ist aber auch, dass 4 % der KMU Verluste aufgrund von Fehlern in den Übersetzungen bzw. beim Dolmetschen verzeichneten.
Von den oben genannten 195 KMU gaben nur 37 Unternehmen an, wie hoch die Verluste konkret waren. In allen Kategorien beliefen sich diese insgesamt auf rund 10 Millionen Euro (durchschnittlich ca. 270.270 € pro Unternehmen). Die oben genannten 4 % entsprechen demnach 400.000 € dieser Gesamtverluste aufgrund von Fehlübersetzungen – pro Unternehmen also 10.810 €.
Weitere 54 Unternehmen gaben an, potenzielle Aufträge im Wert von rund 21 Millionen Euro verloren zu haben. Der Anteil davon, der auf Fehlübersetzungen zurückzuführen ist, beläuft sich auf 840.000 €.
Diese Verluste mögen auf den ersten Blick zwar nicht alarmierend erscheinen, aber lassen Sie uns kurz ein Gedankenexperiment und die Abschätzung der Größenordnung dieser Verluste durchführen:
Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn untersuchte den Internationalisierungsgrad von KMU zwischen 2009 und 2011. Schon damals waren rund 1,3 Millionen Unternehmen (99 % davon KMU) international tätig – das entsprach deutschlandweit 37 % der Unternehmen.
Wenn wir die Ergebnisse der zwei Studien miteinander kombinieren (10.810 € pro Unternehmen bei insgesamt 1,3 Millionen international tätigen Unternehmen), könnten fehlerhafte Übersetzungen der deutschen Wirtschaft insgesamt schon rund 14 Milliarden Euro gekostet haben (der Verlust potenzieller Aufträge ist in dieser Rechnung nicht einbegriffen!).
Übersetzungen können aus verschiedenen Gründen schlecht sein. Hier eine Auflistung der häufigsten Ursachen für falsche Übersetzungen und was Sie dagegen tun können.
Häufig verwenden Unternehmen identische Sätze oder Beschreibungen in mehreren Dokumenten. Das Risiko ist groß, dass die Übersetzungen jeweils unterschiedlich ausfallen und Fehler gemacht werden. Es empfiehlt sich, erstellte Übersetzungen zu speichern und wieder zu verwenden. Translation Memorys (TM) sind Datenbanken, in denen Übersetzungen satzweise gespeichert werden. Der große Vorteil ist, dass die Übersetzer bei Folgeprojekten Zugriff darauf haben und somit einheitliche Übersetzungen liefern können. Das Fehlerrisiko wird damit deutlich geringer.
In manchen Texten ist es egal, ob ein bestimmtes Wort oder dessen Synonym benutzt werden, in Marketingtexten ist eine gewisse Abwechslung allein aus SEO-Gründen nützlich oder gar erwünscht. In den allermeisten Fällen ist aber eine einheitliche Terminologie wichtig, um negative Konsequenzen wie die der oben genannten Beispiele zu vermeiden. Eine aktuelle Terminologiedatenbank (TB) kann stark zu besseren Übersetzungen beitragen.
Die Berufsbezeichnung „Übersetzer“ ist nicht geschützt, weshalb es auf dem Markt leider eine Vielzahl unqualifizierter Übersetzer gibt, deren Arbeitsqualität mangelhaft ist. Wählen Sie deshalb Ihre Übersetzungspartner – ob Übersetzungsagenturen oder einzelne selbstständige Übersetzer – mit Bedacht aus.
Übersetzungen sind kontextbezogen. Wenn Übersetzer nicht genügend Zusatzinformationen über das Produkt oder die Dienstleistung haben, können sie womöglich den Text nicht ausreichend gut übersetzen. Gewähren Sie ihnen deshalb Zugriff auf relevantes Wissen und Infomaterial: Styleguides, bereits übersetzte Dokumente im finalen Layout, Firmenpräsentationen, Videos, Handbücher etc. Je nach Schwierigkeit, Umfang und Art des Auftrages werden die Übersetzer mehr oder weniger Referenzmaterialien benötigen.
Natürlich gehören auch Translation Memory und Terminologiedatenbanken dazu, Dokumente im finalen Layout sind aber manchmal nützlicher. Die Übersetzer können sich damit ein besseres Bild eines bestimmten Themas machen.
Der Jackpot eines jeden Übersetzers ist ein persönlicher Ansprechpartner im Unternehmen für Fachfragen. Besprechen Sie das auch mit Ihren Dienstleistern, sofern sie mit Übersetzungsbüros arbeiten.
Wir haben in diesem Blog schon viel zum Thema maschinelle Übersetzung (MÜ) geschrieben, deshalb werden wir an dieser Stelle nicht groß darauf eingehen. Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass Unternehmen mit dem Einsatz von MÜ Zeit und Geld sparen können – aber nur, wenn sie richtig und in Kombination mit Post-Editing eingesetzt wird. Mehr dazu erfahren Sie in den Artikeln „Maschinelle Übersetzung für Unternehmen“ und „
Post-Editing: Höhere Qualität für maschinelle Übersetzung“
.Wenn Sie hier sind, wissen Sie, wie wichtig guter Content ist. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Quelltexte immer noch schlecht geschrieben sind oder gar teils gravierende Fehler enthalten (wenn sie z. B. nicht von Muttersprachlern erstellt werden). Wenn dies der Fall ist, werden Übersetzer Mühe haben, einen inhaltlich einwandfreien Text zu liefern. Dieses Problem wird durch mangelnde Ansprechpartner im Unternehmen nur verstärkt. Setzen Sie deshalb von Anfang an auf fehlerfreie, einheitliche und verständliche und Quelltexte – Ihre Übersetzer werden es Ihnen danken!
Wenn Sie die Übersetzung eines Textes von zehn verschiedenen Personen anfertigen lassen, werden Sie zehn verschiedene Versionen erhalten. Sprache zeichnet sich durch Vielfalt aus, weswegen die Qualitätsbewertung einer Übersetzung oftmals subjektiv ist. Professionelle Übersetzer können stundenlang über die „schönste“ Übersetzung eines Textes diskutieren. Jeder hat einen eigenen Stil.
Dennoch gibt es auch objektive Kriterien, um die Qualität von Übersetzungen zu bewerten. Um richtig gute Übersetzungen zu erhalten, sollten Sie schon bei der Auswahl des Sprachdienstleisters nach der Leistungen zur Qualitätssicherung schauen. Achten Sie besonders auf die DIN EN ISO 17100. Diese allein garantiert zwar noch keine guten Übersetzungen, ist aber ein Zeichen dafür, dass der Sprachdienstleister einen fundierten Übersetzungsprozess inklusive Qualitätssicherung implementiert hat.
Auch der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer bietet umfangreiche Informationen für Auftraggeber. Dazu gehören eine Datenbank qualifizierter Übersetzer, Erklärungen zur Auftragsvergabe und -Abwicklung, Angaben zur Preisgestaltung und mehr.
Übersetzungen sind eines der Fundamente unseres modernen Gesellschaftssystems und ohne sie wäre die Internationalisierung nicht möglich. Aber leider haben Übersetzungen oftmals nicht die Priorität, die ihnen zustünde. Es ist an der Zeit, dass sich dies ändert, denn schlechte Übersetzungen sind am Ende des Tages viel teurer, als von Anfang an auf kompetente Übersetzungspartner und die richtige Technologie zu setzen.